Welch ein Tag liegt hinter mir ...
ich fresse Landschaften, Städte, Menschen.
- Hans Fallada an Suse Fallada, Etampes, den 14. Mai 1943
In all diesen Briefen wie auch in seinen Romanen zeigt sich, was Fallada ausmacht und groß macht: den ganz und gar nicht mutigen Menschen in seiner ganzen Verletzlich- und Verführbarkeit zu zeigen.
- Elke Schlinsog, Deutschlandfunk Kultur
Nachdem Hans Fallada mit Kleiner Mann – was nun? einen Welterfolg erlangt hat, kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Eine Emigration schließt er zu diesem Zeitpunkt aus – wie andere auch verkennt er, in welcher politischen Lage Deutschland sich zu diesem Zeitpunkt bereits befindet. Die Angriffe in der Presse des Dritten Reichen gegen ihn nehmen zu und Fallada muss erkennen, dass er unter diesen Verhältnissen nicht mehr von Menschen erzählen kann, denen man es anmerkt, dass sie einmal am „Abgrund gelegen“ und die das „Zusammenstürzen ihrer ganzen Vergangenheiten erlebt haben“.
Obwohl er ein unerwünschter Autor wird, können seine Romane weiter erscheinen, allerdings bringen die Verhältnisse ihn wiederholt in krisenhaften Situationen. Auf Vermittlung einer Bekannten erreicht ihn 1943 das Angebot, als Reichsarbeitsdienst-Sonderführer für sechs Monate im Rahmen der kulturellen Truppenbetreuung in das besetzte Frankreich aufzubrechen. Der Weg führt ihn von Paris, wo er auf dem Schwarzmarkt einkauft, über Bordeaux bis an die spanische Grenze.
Wie Fallada den Reichsarbeitsdienst, das besetzte Frankreich und die Stimmung in Land erlebt, darüber geben die bislang unveröffentlichten Briefe Auskunft. Fallada schreibt die Briefe zwischen Mai und September 1943 an seine Frau Suse, die ihm sporadisch antwortet und aus dem heimischen Carwitz über Fliegerangriffe und erste Entbehrungen berichtet. Mit dieser Edition wird eine der letzten Lücken in Hans Falladas spannungsreicher Biographie geschlossen.
Rudolf Ditzen alias Hans Fallada (1893 Greifswald – 1947 Berlin) veröffentlichte 1920 sein Roman-Debüt Der junge Goedeschal. Sein Roman Kleiner Mann – was nun? (1932) war ein Welterfolg, der den Autor finanziell unabhängig machte. Weitere Werke u. a.: Bauern, Bonzen und Bomben (1931), Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (1934), Wolf unter Wölfen (1937), Der eiserne Gustav (1938), Jeder stirbt für sich allein (1947).
Carsten Gansel, Jahrgang 1955, ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Mediendidaktik an der Universität Gießen. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur Literatur des 18. bis 21. Jahrhunderts, etwa zu Christa Wolf, Johannes R. Becher und Hans Fallada (zuletzt Warnung vor Büchern), und machte sensationelle literarische Funde in Archiven (etwa Heinrich Gerlach Durchbruch bei Stalingrad, Gerhard Sawatzky Wir selbst, oder das Originalmanuskript von Hans Falladas Kleiner Mann – was nun?).